Im Nationalpark FLONA gibt es einige Siedlungen, welche aus den Nachfahren der Indios und den ersten Siedlern bestehen.
Wir mieten in Santarem ein Auto möchten diese Comunidades (Dorfgemeinschaften) kennen lernen.
Etwa nach 50 km auf der Transamazonas BR 230 biegen wir rechts ab und besichtigen das einfache Städtchen Belterra (schönes Land). Die Dorfstrassen sind aus roten Sandpisten, gesäumt mit Holzhäuser. Die Schüler sind auf dem Heimweg zum Mittagessen. Auch unser Magen knurrt, wir sind auf der Suche, nach einem Restaurant. In der Dorfmitte werden wir fündig und essen ein einfaches Mal.
Gestärkt geht es weiter in Richtung Nationalpark. Viele kleinen Pisten zweigen links und rechts ab, Wegweiser finden wir keine und erst nach mehrmaligem Nachfragen und umkehren finden wir die richtige Strasse.
Nach etwa 10 km kommen wir an einen Kontrollposten und müssen für den Besuch des Nationalparks. 5.50 Real (2.70 CHF) pro Person und Tag bezahlen.
Die Piste führt weiter am Fluss entlang und manchmal kommen wir an einzelnen Holz- oder Palmblätterhäusern vorbei.
Die Naturstrasse ist in gutem Zustand und wir kommen gut voran. Später erfahren wir, dass sie gerade neu ausgeebnet wurde, denn der Bus kam nicht mehr überall durch.
In Maguarí halten wir bei einem kleinen Holzhaus, wo sie „Artesanatos“ anbieten. Schöner Schmuck aus Naturmaterialien, Kopfskulpturen aus Kokosnüssen und in Glyzerin eingelegte Schlangen und Spinnen werden verkauft.
Gerne wähle ich zwei hübsche Samenketten aus.
In Jamaraquá angekommen entdecken wir am Flussufer die Pousada. Ein zweistöckiges Holzhaus steht den Reisenden zum Aufgängen der Hängematten zur Verfügung.
Eigentlich würde es uns hier sehr gut gefallen. Doch wir haben gehört, dass man auch bei den Familien leben kann. Wir erkunden uns nach Nice, denn ihr haben wir noch Grüsse von einer Frau aus Alter do Chão zu überbringen.
Nice wird gerufen und wir erfahren, dass Sie zufälligerweise die Präsidentin der Dorfgemeinschaft ist. Nice lädt uns ein bei ihr zu übernachten. Sie führt uns zu einem einfachen Holzhaus. Nice hat sieben Kinder. Ihr Mann ist zufällig eine Woche zu Haus, dann geht er wieder für etwas 2 Monate zur Arbeit wo er neue Setzlinge für den Wald zieht und pflanzt. Die ganze Verantwortung für die Familie liegt dann bei Nice.
Neben dem Familienhaus ist eine kleine Hütte mit einem Dach und einer Trennwand aufgebaut. Hier lebt die 14-jährige Tochter mit ihrem Mann. Beide schlafen gemeinsam in einer Hängematte. Ausser einem Handy und wenigen Kleidern hat es keine Wohnungseinrichtung. Wir können unsere Hängematten in dem abgetrennten Raum aufhängen.
Die Duschmöglichkeit ist hinter einem Bretterverschlag, was ja eigentlich super ist, denn es hat einen Wasserhahn und Becken um sich abzuspühlen. Das grosse Problem für mich ist, dass gleichzeitig mit mir hunderte von Wespen die Wasserstelle benutzten und ich auf Wespen allergisch bin.
Das WC, etwas abseits, ist ebenfalls ein Bretterverschlag ohne Dach, eine Betonplatte mit einem Loch, darunter Äste und Blätter, welche das dicke und dünne Geschäft auffangen. Eigentlich ein gutes System, doch der Gestank hält einem davon ab seine Bedürfnisse allzu oft zu erledigen.
Wir wollen nicht jammer, wir wollen ja bei der Familie leben. Doch dieser Beschrieb zeigt die einfachen Verhältnisse auf.
Nice macht uns einen Kaffee und erzählt uns von dem Gemeindeprojekt, aus Naturmaterialien auf traditionelle Art und Weise Kunsthandwerksprodukte herzustellen.
Wir besuchen gemeinsam die Verkaufsausstellung.
Zuvor stellt uns Nice ihre Familie vor. Die Eltern leben in der Nähe. Nice hat 13 Geschwister, die Mutter stillt soeben das etwa 2 Jahre alte, ihr jüngstes Kind. Man weiss nicht wer Tochter oder Enkel ist.
Auch die Mutter macht schöne Halsketten und natürlich kaufen wir auch ihr zwei davon ab. So können wir diese grosse Familie auch etwas unterstützten.
Weiter geht es zum Ausstellungsraum der Dorffrauen. Kunsthandwerk aus Kautschuk und Natursamen wird hier ausgestellt und verkauft.
Wir vereinbaren mit Nice, dass wir etwa um 19.00 Uhr zum Nachtessen kommen und schlendern noch etwas am Strand entlang und erleben einen wunderschönen Sonnenuntergang.
Zurück bei Nice gibt es Nachtessen. Reis, Poulet und von den Söhnen frisch gefangen Fisch.
Die Kinder essen im Wohnzimmer am Boden, die Hängematte die sonst dort hängt wird weggeräumt.
Die älteste Tochter und die Eltern setzten sich zu uns an den Tisch.
Nach dem Essen holt Nice ihre Samensammlung hervor und zeigt uns wie sie diese zu Schmuck verarbeitet. Sie erzählt uns dabei viel über diese Pflanzen.
Unglaublich, welch schöne, bunte Samen hier gefunden werden.
Ich bekommen ein A4 Blatt zu lesen, worauf die Geschichte von Jamaraquá niedergeschrieben ist.
Man erzählt vom ersten Siedlerpaar, das etwa um 1900 die Kommune gegründet hat.
1981 wurde der erste Fussballclub gegründet
1985 übernahm die Gemeinde den offiziellen Namen Jamaraquá. Dieser stammt von einer Heilpflanze, welche Insektenstiche heilt und die Indios zur Hautfärbung benutzen.
1995 fuhr der erste Autobus nach Jamaraquá
2001 haben drei Männer die Idee vom „Ecotourismus“ und wollen als Führer auf einem Dschungel-Trillha etwas Geld verdienen.
2004 schliessen sich fünf Frauen zusammen um aus Naturmaterialien Kunsthandwerk anzufertigen. Im Nachbardorf Maguarí hat es ebenfalls Frauen die mitmachen.
2006 entschliesst sich die Gemeinde drei Kanus zu kaufen um Ausflügler auf einem kleinen Bach nach Iguapó zu fahren. Die Lehrerin der Gemeinde gründet eine Abendschule für interessierte Jugendliche und Erwachsene.
2008 wurde durch das Programm „Luz Para Todos“ der Strom nach Jamaraquá geführt.
2011 wurde eine Telefonverbindung installiert.
Heute leben 24 Familien, insgesamt 109 Personen in Jamaraquá.
In den letzten 10 Jahren hat sich hier im Dorf so viel verändert wie in den restlichen hundert Jahren nicht.
Mit ganz vielen neuen Eindrücken kriechen wir unter unser Moskitonetz in die Hängematte.
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